DAS KONSTANZER MODELL


Um hervorzuheben, dass die Neurostrukturtheorie das materielle Gehirn zum Bestandteil des Bewusstseins macht, was nicht der Fall ist, wurden die Begriffe Hemisphäre und Bewusstsein mit der Vorsilbe ›neuro‹ versehen. Die Bewusstseinshemisphären werden zu Neurobewusstseinshemisphären erklärt. Der Ausdruck kennzeichnet die fiktionale Repräsentanz des Gehirns. Diese Repräsentanz wird Bestandteil des Bewusstseins. Die Denkimpulse darin sollen als strukturiert gelten. Die Verschränkung der Neurobewusstseinshemisphären ergibt das Neurogesamtbewusstsein. Um den Denkenergiefluss zwischen den Neurobewusstseinshemisphären kenntlich zu machen, wurde das Corpus callosum (Balken) als Hemisphärenverbindungsareal ausgemacht, das bisher keine derartige Funktion besitzt. Der ständige Austausch von Denkenergie auf diesem Areal macht das Neurogesamtbewusstsein ungemein aktionsfähig. Der Ausdruck dafür ist variant. Die Denkleistungen erhöhen sich bei intensivem Austausch. Störungen das Austauschs vermindern die Denkleistung. Die Funktion dieses Areals, Transferbrücke der Denkenegie genannt, wird als äusserst wichtig erachtet. Der Hirnforscher Eccles spricht von 4 Milliarden Impulsen pro Sekunde, die zwischen den Hemisphären ablaufen. Die Neurophysiker Brunak und Lautrup1 fanden heraus, dass die vom Gesamtorganismus des Menschen dem Gehirn bereitgestellte Energie der Energieleistung einer 20-Watt-Lampe entspricht. Der Schluss liegt nahe, dass Denken erhellend ist.


Abbildung Nr. 7 stellt die neuen Begriffe vor. Gedanklich ist nachzuvollziehen, dass die Neurobewusstseinshemisphären Repräsentanten der Gehirnhemisphären sind. Die Energietransferbrücke ist Repräsentant des Impulsaustausches im Zellgewebe des Balkens. Gemeinsam bilden die drei Repräsentanzen das Neurogesamtbewusstsein.2 Die farbigen Pfeile veranschaulichen den Denkenergiefluss auf der Transferbrücke. Besteht ein koninuierlicher Energieaustausch, wird Komplementarität der Denkstrukturen erreicht und es entsteht das Neurogesamtbewusstsein.


Abbildung Nr. 7

Die Energieleistung, über die eine Neurobewusstseinshemisphäre verfügt, wird als Denkenergiebesetzung bezeichnet. Die Energiebesetzung der Denkstrukturen kann gleichmässig oder ungleichmässig auf die Denkweisen verteilt sein. Sie kann auch bewusst auf nur eine Denkweise gerichtet werden. Eine relative Selbstständigkeit der Neurobewusstseinshemisphären ist demnach möglich. Um diese These zu verfolgen, geht die Theorie einen Schritt weiter. Sie verdoppelt das Neurostrukturschema und macht es auf diese Weise zu einer ›doppelten Buchhaltung‹. Die Möglichkeit eines Energieaustauschs der differenten Denkstrukturen auch innerhalb des Neurohemisphärenbereichs wird dadurch gedanklich hergestellt. In jeder Neurobewusstseinshemisphäre werden digitalistische und adigitalistische Neurostrukturen als vorhanden angenommen, unterschieden durch die Intensität ihrer Energiebesetzung. Die Intensitätsgrade richten sich nach der Art der geistigen Tätigkeit des Gehirns. Die Energiebesetzungsunterschiede ergeben sowohl ein individuell erkennbares als auch ein situativ hervortretendes Denkverhalten. Eine Steuererklärung erstellen oder eine Talkshow moderieren oder ein Buch lesen erfordern unterschiedliche Denkenergiebesetzungen. Bisher ergibt sich die Energiebesetzung nach Lage der Anforderung, ohne dass ein allgemeines Bewusstsein dafür besteht. Im Einzelfall kann sie bewusst eingesetzt werden.


Die beiden durch unterschiedliche Denkenergiebesetzung gekennzeichneten Neurostrukturen innerhalb einer Neurobewusstseinshemisphäre sind verschränkt zu denken. Die Verschränkung wird intrahemisphärisch genannt. Die starke und dynamische Energiebesetzung der vorherrschenden Denkweise, die mit der schwach energiebesetzten nachgeordneten Denkweise verschränkt ist, ermöglicht Spiegelung und Kontrolle der Denkinhalte schon innerhalb der Neurobewusstseinshemisphären. Die Erfahrung zeigt, dass jede Neurobewusstseinshemisphäre relativ unabhängig von der anderen gedanklich operieren kann. Bewusst gehandhabt, liegt weder schizoides Denkenverhalten vor noch Unentschiedenheit des Denkens, wohl aber Absicht, auch die der Täuschung.


Abbildung Nr. 8 zeigt durch starke und schwache Farbgebung der Halbkreissegmente starke und schwache Denkenergiebesetzung an. Die farbigen Pfeile geben die Verschränkung der Denkweisen innerhalb der Neurobewusstseinshemisphären wieder. Aus der intrahemisphärischen Verschränkung entsteht Denkdynamik.


Abbildung Nr. 8

Durch den Faktor Energiebesetzung ist in jeder Neurobewusstseinshemisphäre eine Denkweise dominant, die andere subdominant. Die Neurobewusstseinshemisphären können daher ebenso relativ selbstständig als auch miteinander kooperativ arbeiten. Die Kooperation der Neurobewusstseinshemisphären wird durch den synergieerzeugenden Faktor Konzentration erreicht. Die ohne Bewusstsein erfolgende Verselbstständigung einer Neurobewusstseinshemisphäre erzeugt den Zweifel, aus dem fortdauernde Einerseits-/Andererseitserwägungen resultieren. Unkonzentriertheit entsteht, die einen Entschluss, eine Entscheidung, verhindert.


Abbildung Nr. 9 gibt mit zwei kurzen Pfeilen die intrahemisphärische Verschränkung der Neurobewusstseinshemisphären wieder. Zwei lange Pfeile, die durch die Strukturtransferbrücke führen, zeigen die interhemisphärische Verschränkung. Die vierfach miteinander in Verbindung stehenden Denkweisen ergeben ein selbstbewusstes und kritisches Neurogesamtbewusstsein. Die Doppelverschränkung der jeweils dominanten und jeweils subdominanten Neurostrukturen ergibt erhöhte Denkdynamik.


Abbildung Nr. 9

Basierend auf den differenten Neurostrukturen (Denkweisen), die intra- und interhemisphärisch mit wechselnden Energiebesetzungen Gedankenbildung bewirken, wird die Dynamik individuellen Denkens erfasst. Der Begriff der doppelten Buchhaltung des Denkens im KONSTANZER MODELL ermöglicht eine Antwort auf die Hirnforscherfrage, ob das Gehirn sich selbst beobachten könne (Roth, 1994, 2003; Singer, 2002). Eine Neurobewusstseinshemisphäre vermag die andere in ihrer Andersartigkeit erkennen und wechselseitige kritische Wahrnehmung kann daraus enstehen. Die Denkinhalte der Neurobewusstseinshemisphären können gegenseitig erkannt, gespiegelt und korrektiv verändert werden. Selbstreflexion kommt zustande, die im Rahmen der Innenwelt des Menschen stattfindet. Wenn sie sich nach aussen richtet, lässt sie eine klare Sicht auf ein anstehendes Problem zu. Das Neurogesamtbewusstsein kann Entscheidungen treffen, die emotionsfreies Handeln ermöglichen.


  Nach dem Augenschluss können Sie in jeder Ihrer Hemisphären zwei gegenläufige lange Pfeile videtisieren, die durch Ihre Energietransferbrücke führen. Zwei gegenläufige kurze Pfeile bilden Sie innerhalb jeder Hemisphäre. Die Farbe der Pfeile ist beliebig, ihre Anordnung ebenfalls. Es geht darum, ein inneres Bild zu erzeugen. Siehe Dritte Aktivation









Abbildung Nr. 10 veranschaulicht die Denkleistungen, dargestellt als doppelte Buchhaltung der Denkvorgänge. Vergleichen Sie dazu Abbildung Nr. 2.


Abbildung Nr. 10


Kernpunkte:

1. Das KONSTANZER MODELL verlegt die Links-/Rechtshirn-Denkleistungsverschiedenheit gedanklich in beide Neurobewusstseinshemisphären. Die Verbindung von intrahemisphärisch verschränkten mit den interhemisphärisch verschränkten Denkleistungen veranschaulicht der Begriff der ›doppelten Buchhaltung‹ des Denkens.


2. Der Ausgleich zwischen stark energiebesetzten und schwach energiebesetzten geistigen Fähigkeiten (Dominanz - Sobdominanz) erfolgt durch die Variabilität der Energiebesetzung. Sie richtet sich nach den Anforderungen, die von der Aussenwelt an den Einzelnen gestellt werden. Variabel ist die Energiebesetzung bei hinreichender intra- und interhemisphärischer Verschränkung.


3. Die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die mentischen Fähigkeiten in den Beispielen zur Methode der Aktivation, dient dem Ausgleich der geistigen Aktivitäten, da die digitalistischen Fähigkeiten durch Bildschirm am Arbeitsplatz, Smartphone, Internet, Spielkonsolen und andere Gadgets übermässig beansprucht werden.





1 S. Brunak, B. Laudrup, Neuronale Netze. Die nächste Computerrevolution. München/Wien 1993. Up

2 Siehe zu dem Gedanken der Repräsentanz, die ein inneres Bild, stellvertretend für die Realität, inauguriert: Ernst H. Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters. München 1990 Up