ANGST ALS SIGNAL


Angst ist Urthema menschlichen Daseins, das einer Krise ausgesetzt ist. Sie ist von Furcht zu unterscheiden.1 Angst tritt auf im Alten Testament, das von Eigenmächtigkeit und Vertreibung aus dem Paradies erzählt. Den Dschihadkämpfern winkt das Paradies, wenn sie fallen. Ein paradiesischer Zustand ist ein angstfreier Zustand. Angst wird von Kierkegaard mit der Erbsünde verbunden (1844). Nietzsche verkündet die ›Umwertung aller Werte‹, die auch Angst beseitigen wird (1882). Heidegger nennt Angst eine ›Existenzialität‹ (1927). Die Medizin spricht von Angstkrankheiten2 und hat dafür internationale Indizes. Angst wird auch in der Neurostrukturtheorie thematisiert.


Bisher wird in der Neurostrukturtheorie die Verschränkung der differenten Neurostrukturen (Denkweisen) durch wechselseitigen Denkenergieaustausch als gegeben angenommen. Verschränkung wird dabei als so dynamisch verstanden, dass ein in sich ruhendes Neurogesamtbewusstsein entsteht. Es ergibt sich allerdings die Möglichkeit, dass der Energieaustausch unzureichend stattfindet. Das Zusammenwirken der Denkweisen leidet dann sowohl intra- als auch interhemisphärisch. Die Anzeige geschieht in diesem Fall, so die neurostrukturtheoretische These, durch Angst. Angst gilt demnach als Signal für mangelnde Verschränkung. Damit erhält Angst die Bedeutung von fehlender Komplementarität der Denkweisen und damit der Einseitigkeit des Denkens, das in sich kreist. Eine Neurobewusstseinshemisphäre argumentiert im Stillen ständig mit der anderen. Ein stimmiges Neurogesamtbewusstsein fehlt. Unzureichender Denkenergieaustausch wird als Entschränkung bezeichnet. Entschränkung ermöglicht jeder Neurobewusstseinshemisphäre, sich zu verselbständigen. Wenn ein Neurogesamtbewusstsein Entschränkung bewusst einsetzt, entsteht Angst nicht. Wenn es der Entschränkung ausgeliefert ist, entsteht Angst. Angst kann ›frei flottierend‹ (Balint) auftreten, sich an Objekten und Situationen festmachen oder auch einen Erschöpfungszustand signalisieren. Für den Zustand der Entschränkung wurde keine Abbildung erstellt. Angst ist individuell unterschiedlich ausgeprägt, kann zu Somatisierung führen und durch Aggression oder Depression überdeckt sein.




Kernpunkte:

1. Angst wird im KONSTANZER MODELL als Signal definiert, das ein vermindertes Zusammenwirken der Gedankeninhalte der Neurobewusstseinshemisphären anzeigt.


2. Der Denkinhalt jeder Neurobewusstseinshemisphäre kann sich verselbstständigen und die darin vorherrschende Denkweise überhand nehmen. Der bewusste Einsatz nur eines Neurobewusstseinshemisphäreninhalts führt nicht zum Signal Angst, wohl aber zu unbeabsichtigter, sogar beabsichtigter Verdrängung unbequemer Gedankeninhalte bis hin zu kürzerem oder längerem Blackout.


3. Angst kann durch Aggression oder Depression überdeckt sein und damit der Wahrnehmung entzogen werden.





1 Unterscheidung von Angst und Furcht: Hans Christian Pape, Angst beherrscht man nicht, ohne Furcht zu kennen. Natur und Wissenschaft. FAZ v. 28.01.2015. Im Verlauf des Artikels werden Furcht und Angst/Ängste wieder synonym gebraucht. Up

2 Bandelow et al. Angst- und Panikerkrankungen. Ätiologie-Diagnostik-Therapie. Bremen, London, Boston 2003. Up